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Die schönste Wohnung der Welt

Meine Brücke, meine Matratze, kein Fenster!                                   Meine Wohnung, mein Bett, meine Fenster!

Janita-Marja Juvonen hat ein Leben ohne Fenster gegen ein Leben mit Fenstern getauscht.

Ich empfand am schlimmsten, in meiner Obdachlosigkeit, die Einsamkeit. Du stehst in einer Stadt mit Tausenden von Menschen und trotzdem hast du niemanden. Es ist Lärm, Hektik, Lichter, immer was los. Du stehst irgendwie immer unter Strom, auch wenn du es selber irgendwann nicht mehr merkst. Tag und Nacht immer was los, und trotzdem gehörst du nicht dazu. Mittendrin statt nur dabei. Ja, man steht mittendrin, aber dabei ist man nicht mehr. Und mit den Jahren der Obdachlosigkeit immer weniger.

 

Wenn ich heute in meiner Küche auf meiner Ablagefläche sitze und aus meinem Fenster gucke, dann bin ich nicht mittendrin, aber so was von dabei. Im Leben dabei. Es ist der Ort in meiner Wohnung, wo ich mich unheimlich gerne aufhalte. Ich sitze und gucke aus dem Fenster, wenn ich will, mache ich es auf und genieße die frische Luft, das Vogelgezwitscher. Wenn mir kalt wird oder mir die Geräusche von draußen zu laut sind, schließe ich einfach nur das Fenster. Das habe ich anfangs so oft in meiner Wohnung gemacht wie ein kleines, total glückliches Kind. Fenster auf Fenster zu Fenster wieder auf ...


Meiner Meinung nach braucht es zum guten Wohnen eine Wohnung, wo man sich wohl und sicher fühlt. Das ist das A und O. Wenn ich mich nicht gerne bei mir zu Hause aufhalte, dann geht das an die Substanz. Wohnen, gutes Wohnen ist unheimlich wichtig, wie ich selber an mir feststellen durfte. Und damit meine ich nicht, dass die Wohnung riesig sein muss, einen Whirlpool haben muss. Irgendeine Wohnung reicht bei mir aber auch nicht, um mich von der Straße zu holen. Die zu der Zeit ja auch schon über zehn Jahre mein Zuhause war. Die Wohnung, meine Wohnung musste zu mir passen und mir Sicherheit vermitteln. Ich musste mich in ihr wohlfühlen.



Ich bin mit etwas über 30 Jahren in meine erste eigene Wohnung gezogen. Und auch heute bekomme ich Gänsehaut. Türe zu, keiner kann rein, Ruhe, es war so toll.

Meine erste eigene Wohnung ist einfach toll!

 

Sie hat keine 50 qm. Wie sagten meine Adoptiveltern bei unserem letzten Treffen? So groß wie unser Wohnzimmer. Für sie inakzeptabel, für mich die schönste Wohnung der Welt. Als ich zur Besichtigung rein kam und im Flur stand, sagte ich, die Wohnung will ich haben. Erstaunen, weil hatte ich doch den Rest gar nicht gesehen. Musste ich nicht! Mein ganzer Körper sagte, das ist dein Zuhause. Hier stimmt dein Gefühl. Das ist die schönste Wohnung in meinem ganzen Leben, nämlich meine erste.

Aber auch ich habe Angst, meine Wohnung irgendwann wegen zu hohen Mieten wieder aufgeben zu müssen. Zum Beispiel kann ich in meiner Stadt mein Ehrenamt gut anbieten. Es hilft auch mir, mich in die Gemeinschaft einzubringen.

Darum ist für mich die Stadt, der Ort, wo ich bleiben möchte um auch an meinem aufgebauten sozialen Leben weiter teilhaben zu können. Der Gedanke hier weg zu müssen, macht mir Angst. Ich wohne in einer Stadt, die immer beliebter wird. Mehr Wohnraum und bezahlbarer Wohnraum ist ein großes Thema heute.

Und trotzdem passiert da immer noch zu wenig. Es wird viel gebaut, zu wenig für sozial Schwächere. Dazu kommt, dass ja die nächsten Jahre die alten Sozialwohnungen auslaufen. Guckt man sich einige Großstädte an, wird es immer schwieriger, eine Wohnung zu finden.

Man kann natürlich jetzt zu einem wohnungslosen, obdachlosen Menschen sagen, stell keine Ansprüche. Dann zieh eben dahin, wo eh keiner hin will. Aber bei den betroffenen Menschen ist das erste große Problem die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Es gibt Hemmschwellen auf beiden Seiten. Wo finde ich neue soziale Kontakte schneller, in der Stadt oder auf dem Land? Wo sind mehr Hilfsangebote und die Möglichkeit sich mit anderen Betroffenen auszutauschen?

Das Projekt Housing First,....

also erst Wohnung, dann der Rest, sollte meiner Meinung nach unbedingt deutschlandweit angeboten und ausgebaut werden. Du musst dich nicht erst beweisen, dass du „würdig“ bist, eine Wohnung zu bekommen. Sondern du bekommst sie, und dann kannst du schauen, was für Hilfe du noch brauchst. Mehr auf Augenhöhe arbeiten.

Selbst Menschen mit Job und Wohnung finden in diesen Gegenden keinen Wohnraum mehr für sich. Auch Familien sind immer stärker betroffen. Wie soll es da ein eh schon stigmatisierter Mensch ganz ohne Wohnung schaffen, eine Wohnung zu bekommen?

Es muss sich viel tun, das ist klar. Aber wir können es als Gemeinschaft schaffen. Wir sind eine Gesellschaft. Wir gehören zusammen. Und zwar alle. Es ist so wichtig, dass wir da wieder hinfinden.

Ich kann dir nämlich eins sagen, es kann jeden treffen!
Auch dich.


Infobox

Dieser Artikel von mir ist im Karuna-Kompass Ausabe #32 erschienen.
Karuna-Kompass ist in Berlin eine Straßenzeitung, die aus Spenden und Anzeigen in der Zeitung finanziert wird.
Sie wird von betroffenen Menschen verkauft für 1,50 € und die komplette Einnahme kommt dem Verkäufer zu Gute.
Zwischen dem 15. und dem 22. des Monats erscheint die Zeitung, die insgesamt 3
2 Seiten umfasst.
Karuna ist ein Begriff aus dem
Buddhismus und bedeutet Empathie.

Schade, dass es einen Empathiekompass braucht. Allerdings danke ich Karuna, dass es diesen Kompass gibt.



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